Murakami Haruki

 

Haruki Murakami

* 12.Januar 1949 in Kyoto

 

Japanischer Autor von Romanen und Erzählungen

Studierte Theaterwissenschaften und Drehbuchschreiben in Tokyo.


Werke unter anderem :

Mister Aufziehvogel   1994/1995- dt. 1998

Sputnik Sweetheart   1999 - dt. 2002

Kafka am Strand   2002 - dt. 2004

Die unheimliche Bibliothek   2005 - dt. 2013

 

Auszeichnungen unter anderem:

Yomiuri-Literaturpreis für Mister Aufziehvogel

2014: Welt-Literaturpreis

 

 

 

 

 

Die unheimliche Bibliothek

 

Eigentlich will der Junge nur zwei Bücher zurückgeben und noch ein wenig stöbern. Aber statt in den Lesesaal führt ihn der merkwürdig cholerische alte Bibliothekar in ein Labyrinth unter der Bücherei, wo er ihn einkerkert. Statt Wasser und Brot gibt es in diesem Verlies Tee und köstliche Donuts, serviert von einem mysteriösen Schafsmann und einem stummen Mädchen, das sprechen kann und wunderschön ist. Doch das ändert nichts daran, dass der Junge als Gefangener der Bibliothek um sein Leben fürchten muss, während die Grenzen zwischen Dingen, Menschen und Orten immer weiter verschwimmen.

 

 

Mein Einwurf

Ein kleiner Junge will eigentlich nur zwei Bücher zurückbringen und neue ausleihen, über die Steuereintreibung im osmanischen Reich, gerät dabei aber in die Katakomben der Bibliothek und wird dort festgehalten. Alles mit gutem Ausgang. Die Antworten auf die vielen Fragen, die sich im Laufe der Geschichte ergeben, bleiben jedoch dem Leser überlassen.
Murakamis Erzählung gleicht auf der einen Seite mehr einem Märchen, vielleicht auch auf der Ebene japanischer Märchen, was jedoch nur eine Vermutung von mir ist, weil ich die nicht kenne, wodurch die Erklärung allerdings nicht einfacher wird, und erinnerte mich, davon mal abgesehen, in vielen Phasen doch stark an Kafka. Wie auch immer, ich habe mich von den Fragen und nicht gegebenen Antworten einfach frei gemacht.

Ist eine Bibliothek nicht manchmal wirklich wie ein Kellergewölbe, wie ein Labyrinth, in dem man ziellos umherirrt und mit dem Gefundenen zunächst gar nichts anzufangen weiß? Es ist schon unheimlich, welch ein Wissen sich dort verbirgt, welches man gerne auf der Stelle in sich einsaugen möchte. Aber die Bibliothek leiht einem nur etwas davon und verlangt es auch nach einer bestimmten Zeit wieder zurück. Man darf dieses Wissen also nicht behalten, muß es wieder abgeben, obwohl es doch nach dem Lesen im eigenen Kopf gelagert ist. Eigentlich müßte man der Bücherei nicht nur die Bücher zurückgeben, sondern auch den Kopf, damit sie sich ihr Wissen wieder herausholen kann. Es gehört ihr ja im Grunde. Aber genau dies wird dem gefangenen Jungen angedroht.Die Frage ist, wie man es verhindern kann. Vielleicht mit Hilfe verschiedener Figuren, die die Bücher in meinem Kopf hervorbringen ? An dieser Stelle verschmilzt die Wirklichkeit mit den Geschichten. Bücher, Geschichten,Bibliotheken, Wissen nistet sich in unserem Gehirn ein. Wem gehört es und was machen wir damit, machen wir daraus ?

Aber das Leben ist nichts Alltägliches, was wir einfach wie ein Buch ausleihen können und darin die Antworten finden, Wissen können wir uns leihen, aber wir müssen es am Ende zurücklassen, wenn wir nicht den richtigen Weg durch das Labyrinth des Lebens finden, die richtige von den unzähligen Möglichkeiten hin zur Freiheit, die geduldig auf uns wartet. Doch die finden wir nur - laut Murakamis Geschichte - mit Hilfe von Menschen, denen wir vertrauen können. Aber Vorsicht, die Menschen begegnen uns mit verschiedenen Fassaden, in verschiedenen Rollen und manchmal helfen uns die, die wir vorher gefüttert haben. Jedoch kann es auch sein, daß wir das uns Liebste, was uns am Wertvollsten erscheint, zurücklassen müssen. Die Freiheit ist es allemal wert.

Außerdem müssen wir stets aufpassen, von wem wir Wissen ausleihen, denn oft locken uns Personen, Gruppen, Institutionen mit ganz einfachen Angeboten.
 Denjenigen, die behaupten an unserem Wissen interessiert zu sein, ist das Wissen selbst vollkommen egal - sei es das Wissen über die Steuereintreiber im osmanischen Reich oder was auch immer - ihnen geht es nur um unser Sein, um die Macht über uns. 

 

Ab und zu ist es gar nicht verkehrt, wie bei Murakami, einige Zeit in einem Raum unterhalb der "Bibliothek" festgehalten zu werden und über alles da oben nachdenken zu können. Ob wir dann wirklich oben, wie wir meinen, vermißt würden ?


Ja, das Leben ist gefährlich, ist unheimlich, aber am Ende steht der Wunsch nach Freiheit. Egal, was auch immer geschieht, die Freiheit ist stärker als alles andere. Wir leihen uns alles im Leben nur aus und müssen es irgendwann zurückgeben, nur die Freiheit dürfen wir behalten ?

 "Der Vorhang fällt, die Fragen bleiben." (Bertolt Brecht)



 

 

 

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