Bronsky Alina

 

Alina Bronsky

* 02.12.1978 in Swerdlowsk, heute Jekaterinburg/ Sowjetunion-Russland

 

 Sie lebt seit Anfang der 90er-Jahre in Berlin. Ihr Name ist ein Pseudonym

 „Baba Dunjas letzte Liebe.“ stand auf der Longlist zum Deutschen Buchpreis 2015


Werke unter anderem :


Scherbenpark   2008

Nenn mich einfach Superheld   2013

Baba Dunjas letzte Liebe   2015

 

 

 

Baba Dunjas letzte Liebe

 

»Wenn ich mich in meinem Alter noch über Menschen wundern würde, käme ich nicht mehr zum Zähneputzen.«

Alina Bronsky lässt in ihrem Roman eine untergegangene Welt wieder auferstehen. Komisch, klug und herzzerreißend erzählt sie die Geschichte eines Dorfes, das es nicht mehr geben soll – und einer außergewöhnlichen Frau, die im hohen Alter ihr selbstbestimmtes Paradies findet.
 Baba Dunja ist eine Tschernobyl-Heimkehrerin. Wo der Rest der Welt nach dem Reaktorunglück die tickenden Geigerzähler und die strahlenden Waldfrüchte fürchtet, baut sich die ehemalige Krankenschwester mit Gleichgesinnten ein neues Leben im Niemandsland auf. Wasser gibt es aus dem Brunnen, Elektrizität an guten Tagen und Gemüse aus dem eigenen Garten. Die Vögel rufen so laut wie nirgends sonst, die Spinnen weben verrückte Netze, und manchmal kommt ein Toter auf einen Plausch vorbei. Während der sterbenskranke Petrov in der Hängematte Liebesgedichte liest und die Melkerin Marja mit dem fast hundertjährigen Sidorow anbandelt, schreibt Baba Dunja Briefe an ihre Tochter Irina, die Chirurgin bei der deutschen Bundeswehr ist. Doch dann kommt ein Fremder ins Dorf – und die Gemeinschaft steht erneut vor der Auflösung.

Auf kleinem Raum gelingt Alina Bronsky voller Kraft und Poesie, voller Herz und Witz eine märchenhafte und zugleich fesselnd gegenwärtige Geschichte.

 

 

Mein Einwurf

Eine märchenhafte und gegenwärtige Geschichte. Genau das ist Baba Dunja, die alte Dame, die ihr zu Hause in der unwirklichen Welt von Tschernobyl gewählt hat. So, wie bei ihr und in ihrem Dorf auch die Toten ein-und ausgehen, sich bewegen und durchaus auch etwas zum Leben dort beitragen, blickt uns immer wieder Gogol durch die Zeilen an. Wir werden sofort an seine Märchen-Sagen-und Geistergeschichten erinnert.

Ja, sogar der Geist des toten Hahns tritt immer wieder auf und wacht oben auf seinem Zaun über das Geschehen. Genau hier springen meine Gedanken hinüber in den Westen, nach Deutschland zu den Bremer Stadtmusikanten. Das von den Gebrüdern Grimm aufgezeichnete Märchen, welches 1819 veröffentlicht wurde.

Es erzählt von vier im Alter schlecht behandelten Haustieren, die fortlaufen, in Bremen Stadtmusikanten werden wollen, dort aber nie hinkommen. Esel-Hund-Katze-Hahn.

In der Geschichte wandert die Tochter von Baba Dunja nach Deutschland aus, wird dort aber wegen ihrer Tochter nicht glücklich. Erreicht nie ihr Ziel.

An dieser Stelle sei daran erinnert, daß Gogol in der Mitte des 19.Jahrhunderts nach Deutschland reiste und wahnsinnig wurde.

Hier treffen sich zwei Zweige der Geschichte. Auf der einen Seite die Geister-und Märchengeschichten von Gogol in Rußland bis zu den Stadtmusikanten in Deutschland.

Andererseits Baba Dunja in Tschernobyl bis zu ihrer Tochter und ihrer Enkelin in Deutschland. Zu der vom Weg abgekommenen Laura, tätowiert, heruntergekommen, wie die Bewohner in Tschernowo.

Baba Dunja in ihrer Heimat verstrahlt von dem Reaktor, ihre Enkelin in Deutschland von der Gesellschaft.

Auf den Menschen macht dies keinen Unterschied.

„Und dann stoße ich die Tür auf und bin wieder zu Hause“

Ganz gleich wo wir uns befinden, leben und zu Hause fühlen: 

Tschernobyl ist überall und in jeder Gesellschaft.


 

 

 

 

Scherbenpark

Scherbenpark ist der Debütroman aus dem Jahr 2008. Er war in der Sparte „Jugendbuch“ (Kritikerjury) zum Deutschen Jugendliteraturpreis 2009 sowie für den Aspekte-Literaturpreis nominiert.

In diesem sehr heißen Sommer ist Sascha siebzehn, und sie hat nur zwei Träume: Sie will ihrer Mutter ein Buch schreiben, und sie will Vadim töten. Was es mit Vadim auf sich hat, warum Sascha ohne Mutter, aber mit ihrer Großtante lebt, wie die Familie durch ein Verbrechen erschüttert und berühmt wurde und was es bedeutet, in ein Dreiecksverhältnis mit einem Journalisten und seinem sechzehnjährigen Sohn zu geraten – all das erzählt sie mit Herz, Witz und einer Energie, die mitreißt.

 

Mein Einwurf

Geht einmal in einen Park und schaut in die Ecken, wo diese Menschen zwischen Bierflaschen, Müll und Scherben hausen. Ihr Wohnzimmer.

Menschen, um die sich niemand kümmert, egal aus welchem Land, aus welcher Gesellschaftsschicht sie kommen, auch ihr Bildungsgrad ist bald schon nebensächlich, hilft ihnen nicht, ja, ein höherer ist eher hinderlich, weil sie dann in der Lage sind, die Situation zu erkennen, einzuschätzen, die Ausweglosigkeit sehen.

Zerbrochene Lebensläufe, zerbrochene Menschen.

Eine Parallelwelt.

Sie versuchen, sich einzurichten, ihr Leben zu leben, aber irgendwann explodiert die Blase in der sie existieren.

Ja, sie existieren, sie leben nicht.

Die Steine, die sie auf andere werfen, aus Wut auf sich selber, kommen wie ein Bummerang zurück, können sie aber nicht mehr wirklich treffen, denn irgendwann haben sie eine Mauer um sich errichtet.

Am Ende die Flucht....ob sie gelingt ? Zumindest bei Beginn scheint die Sonne.


 

 

 

 

 

Nenn mich einfach Superheld

Die atemberaubende Geschichte vom Jungen, der sein Gesicht verlor – komisch, traurig und böse.
 Alina Bronsky erzählt vom Aufbruch aus der Isolation, von der Hoffnung auf Verständnis, von der Sehnsucht, als der erkannt zu werden, der man wirklich ist – und damit von allem, was das Erwachsenwerden ausmacht. Rasend komisch und herzzerreißend traurig, niemals weinerlich, aber immer wieder herrlich böse.

 

Mein Einwurf

Haben wir uns eigentlich schon mal gefragt, wie ein Behinderter uns, unsere Welt sieht ?

Die Probleme sind gleich, aber sie haben eins mehr als die Nicht-Behinderten, wenn sie von ihrer Behinderung wissen. Doch dieses ist bei ihnen nicht größer als bei den Nicht-Behinderten – siehe Situation im Einkaufsmarkt.

Die ganze Problematik der Behinderung, auch der Verschiedenheit bei der Behinderung. Jede Behinderung führt zu einer anderen Sichtweise.

Und wenn man Behinderte zusammenzuführen versucht, dann geschieht nichts weiter als sie in ein Ghetto zu sperren, sie grenzen sich noch weiter von den Menschen ohne Behinderung ab.

Allerdings wirft der Roman von Bronsky auch die Frage auf, ob es überhaupt Menschen ohne Behinderung gibt ? Wobei es auf die Definition von Behinderung ankommt.

Wer ist der Behinderte, wenn der versucht, sich in die Gesellschaft der Nicht-Behinderten einzugliedern ?

Und: Sieht der Behinderte seine Behinderung aus seiner Sicht oder aus der Sicht der Nicht-Behinderten ?

Der Roman ist humorvoll geschrieben, wohl, weil auch die Behinderten in der Realität immer wieder versuchen, sich humorvoll zu geben, ihre Behinderung nicht so ernst zu nehmen, um die Möglichkeit zu bekommen, von den Nicht-Behinderten ernst genommen zu werden.

Und während sich sonst die Nicht-Behinderten über die Behinderten lustig machen, dreht die Autorin hier den Spieß einfach um und zeigt so, daß sich auch in der Gesamtheit der Behinderten die gesammte Spannbreite der Gesellschaft der Nicht-Behinderten wiederspiegelt, vorhanden ist.

Dieser Bogen spannt sich vom Alltäglichen bis zu Sexuellen  >   siehe auch Vater von Marek und dessen zweite junge Frau

Am ehesten und deutlichsten sieht dies alles der blinde Marlon, weil er ja von irgendwelchen visuellen Dingen nicht abgelenkt wird und so am Verhalten und am Gehörten die Menschen wahrnimmt, sie einordnen kann.

Zum Schluß erkannte es auch Marek: Dann nennt mich einfach Super-Held. Und so gab er seinen immer wieder beteuerten Schwur auf, nie mehr im Leben in einen Spiegel zu sehen.

„Ich drehte mich zum Spiegel und nahm die Brille ab.“


 

 

 

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