Lenz Siegfried

 

Siegfried Lenz

 

* 17. März 1926 in Lyck, Ostpreußen; 

† 7. Oktober 2014 in Hamburg


Werke unter anderem :


1951 Es waren Habichte in der Luft

1963 Stadtgespräch

1968 Deutschstunde

1973 Das Vorbild

1978 Heimatmuseum

 

Auszeichnungen unter anderem:


1984 Thomas-Mann-Preis

1988 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

2001 Weilheimer Literaturpreis 


In den 1970er Jahren sollte Lenz das Bundesverdientkreuz erhalten. Er lehnte jedoch mit dem Hinweis ab, dass er Bürger einer Hansestadt sei. Laut Günter Grass war der wahre Grund jedoch, dass auch viele ehemalige Nationalsozialisten den Orden bekommen hatten 

 

 

Deutschstunde

Dies ist die Geschichte von Siggi Jepsen, Insasse einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche, dem in der Deutschstunde die Aufgabe gestellt wird, über "Die Freuden der Pflicht" einen Aufsatz zu liefern. 

Sein Vater, in Rugbüll "der nördlichste Polizeiposten Deutlands", war zu jener Zeit den Pflichten seines Amts in so rückhaltloser Leidenschaft ergeben, daß er nicht zögerte, 1943 einem Maler hohen Ansehens, von Jugend auf sein Freund, den in Berlin gegen ihn gefällten Spruch zu überbringen. Er überwacht sogar unnachsichtig die Einhaltung des Verbots künstlerischer Betätigung. Dem Lebensgesetz der Pflicht ist für ihn jedermann unterworfen.

 

 

Mein Einwurf 1

Darf ich mal mit einem Zitat beginnen? „ Sehen ist Durchdringen und Vermehren. Oder auch Erfinden.“…..“Sehen: das ist doch nicht zu den Akten nehmen. Man muß doch bereit sein zum Widerruf.“

Erinnerst Du Dich noch an die Aufsatzthemen in der Schule? Vielleicht gibt es die heute gar nicht mehr, aber ich kenne sie noch. Dein schönstes Ferienerlebnis. Ich habe es immer gehaßt und gehofft, daß es ein zweites zur Auswahl gab. Deine Weihnachtstage und Geschenke. Die Klassenfahrt. Wir sollten schreiben, was wir erlebt oder gesehen hatten. Aber bitte keine Kritik, keine negative. Nein, nichts aus dem Erlebten erkennen, nichts verändern wollen, nur es zur Kenntnis nehmen und loben. Ich erinnere mich an das Thema: Die Arbeit deines Vaters. Natürlich wollte man damit auch auf den Unterschied der Arbeiterkinder und der anderen hinweisen und es der Klasse bewußt werden lassen, Aber es galt auch zu erklären, daß der Vater immer in seinem Beruf seine Pflicht erfüllt hat und es nun auch unsere Aufgabe sei, dies weiterzuführen.

Der  Vater von Siggi hat seine Pflicht bis zur Perversion durchgehalten. Und er, der Sohn, nicht anders. Er sah es als seine Pflicht an, die ihm gegebene, nicht aufgegebene Strafarbeit – es war auch keine Verurteilung – gewissenhaft auszuführen, weil er es gwohnt war, seine Pflicht zu erfüllen, gegenüber seinem Vater und auch seinem „Freund“ dem Maler. Die Bilder mußte er retten, aus Pflichterfüllung. Genauso gegenüber seinem Bruder.

Und er schrieb den Aufsatz auch, um zu erklären, warum sein Vater so handeln mußte, warum Deutschland sich den Befehlen aus Berlin nicht widersetzen durfte. Aus Pflichterfüllung.

Es war keine kriminelle Tat, was geschehen ist, wie auch das Ansichnehmen und Verstecken der Bilder nicht kriminell war. Pflichterfüllung ist eine Sucht, ist eine Krankheit. So will es Siggi auch in der Arbeit des Psychologen  erklärt haben.

Der Sohn des Polizeiposten ist schwer erziehbar – im Sinne des Systems – ist krank. Das wird in dieser Deutschstunde, die nichts weiter ist, als ein Abbild der Zeit, gelehrt. Und mit diesem Wahn, seiner Pflicht auch noch nachgehen zu müssen, wenn es gar keinen Grund mehr dazu gibt, „wenn alles vorbei ist“, stell der Deutsche sich auch heute noch oder meint, sich über alle anderen stellen zu müssen. Das Lehrhafte, was er nicht ablegen kann. Die Deutschstunde geht immer weiter.

Alle hier auftretenden Personen machen nichts weiter als ihre Pflicht zu erfüllen. Selbst der Maler arbeitet trotz Malverbot weiter, auch wenn es nur an unsichtbaren Bildern ist. Und sein Selbstbildnis mit den zwei Gesichtshälften ? Eine Hälfte für das Unverständnis wegen der übertriebenen Pflichterfüllung des Polizeipostens, die andere für seine eigene Pflichterfüllung, von der er nicht lassen kann.

Und so ist Bleekenwarf das deutsche Volk, Rugbüll Berlin und alle zusammen , Glüserup, Deutschland. Denn „Die Hauptstädte, die wir brauchen, liegen in uns selbst.“ Da, wo wir gerade leben. Dort geschieht alles genauso, wie im ganzen Land, wie in der ganzen Welt.

So ist es geschehen, vor, während und nach dem Krieg. Aber wie sieht die Zukunft aus? Der letzte Satz sagt es in aller Deutlichkeit:

„Eine Handbewegung, und wir werden uns setzen, werden einander reglos gegenübersitzen, zufrieden mit uns, weil jeder das Gefühl haben wird, gewonnen zu haben.“ Weil  wir unsere Pflicht erfüllt haben werden, weil wir immer unsere Pflicht erfüllen werden. Und so mögen alle von uns eine Deutschstunde erhalten, um dies zu lernen.



 

Mein Einwurf 2

Da habe ich eine Aussage von Peter Härtling über die "Deutschstunde" von Siegfried Lenz aus dem Jahre 1968 im Spiegel gefunden:
"Der Vater wie der Maler sind aus der Fasson geraten: übergroß in ihren divergenten Pflichten, zur Lehre für alle als Denkmäler ins Flachland gestellt." Und:"Siegfried Lenz, Verfasser der wunderbaren Geschichten von Suleyken, des Romans "Brot und Spiele", sollte sich mit ihr, es ist zu wünschen, nicht zufriedengeben."

Aber ist dieser Roman wirklich so einfach, so oberflächlich, stimmt es, daß er nur versucht,der "schablonenhaften Retrospektive auf die Nazizeit" zu entgehen. Geht es Lenz überhaupt darum? Das Thema des Aufsatzes von Siggi ist die Pflichterfüllung, sind die Freuden der Pflicht. Und dieses Thema bezieht sich keineswegs nur auf die Nazizeit, die vielleicht sogar nur eine untergeordnete Rolle spielt, eine beispielhafte. Lenz nennt seinen Roman nicht umsonst "Deutschstunde". Es ist eine Lehrstunde für die Deutschen.

Menschen, die sich zurückgezogen haben, bewußt dort auf dem flachen Land leben, leben wollen, um ihre Pflicht zu tun. Ihre Pflicht war Gehorsam, nicht der Widerstand gegen das Unrecht, welches sie sahen, überall und bei sich. Selbst oder gerade dort im Norden, dort wo sie keiner sah, wo sie unter sich waren. Sie hatten ja, gerade in ihrer Einsamkeit, nichts anderes gelernt, als das zu tun, was getan werden mußte. Wer fragte da schon, was richtig oder falsch ist? Und wenn man selbst im fernen, großen Berlin so handelte, dann war es doch selbstverständlich, daß man dem folgen mußte.
Seine Pflicht zu tun, war für sie wichtiger als Freundschaft und Familie, weil beides nur gedeihen konnte, wenn man seine Pflicht nicht vergaß.

"Die Pflicht der Lebenden besteht darin, daß -" " Im Tod da müssen wir-Wer die Welt verläßt, darf nicht,"
Die Pflicht des Menschen geht sogar über das Leben hinaus, aber nur bis zum Tod, denn im Augenblick des Todes beginnt die letzte Pflicht, danach ist man davon befreit. Also eine genau eingegrenzte Pflicht, eine von Menschen eingegrenzte Pflicht.

Manchmal, an gewissen Stellen gleitet der Autor in den Humor ab, er wird fast satirisch, um zu zeigen, wohin Pflichterfüllung führen kann. Ins Absurde, sie wird lächerlich. Da liegt die Gefahr, sie wird unkalkulierbar, sie überfordert uns, sie nimmt uns unsere Freiheit, sie überlagert alles, Freundschaft und Liebe, sie wird quasi zur Religion.
Aber man muß das Leben sehen, nicht nur betrachten wie ein Bild, man muß zum Leben auch die Möglichkeiten dazuliefern. Jedoch bei der Pflichterfüllung gibt es keine Möglichkeiten, genausowenig wie bei der Religion. Es gibt nur Befehle, Verordnungen, Anordnungen. Und in diesem Leben gibt es auch nichts zu entdecken, egal ob in der Einsamkeit des flachen Landes oder in den großen Städten. "Die Hauptstädte, die wir brauchen, liegen in uns selbst."

An drei Personen macht Lenz all dies deutlich: Dem Vater, dem Sohn und dem Maler. Alle drei erfüllen stets nur ihre Pflicht. Der Polizeiposten sowieso. Genauso der Sohn.

Sie hatten ihm eine Strafarbeit "gegeben", nicht aufgegeben, nicht ihn verurteilt. Es war nun seine Pflicht, sie gewissenhaft auszuführen. Er tat ja immer seine Pflicht, gegenüber dem Vater und auch seinem Freund, dem Maler. Die Bilder mußte er retten, aus Pflichterfüllung. Dazu auch alles gegenüber seinem Bruder. Und er mußte den Aufsatz schreiben, um zu erklären, warum Deutschland sich den Befehlen aus Berlin nicht widersetzen durfte. Warum sein Vater sich nicht widersetzen durfte. Aus Pflichterfüllung. Auch diese Verteidigung gehörte dazu.

Es war auch keine kriminelle Tat, was geschehen war, weder hier noch in Berlin. Somit auch nicht das Ansichnehmen und Verstecken der Bilder. Pflichterfüllung ist eine Sucht, ist eine Krankheit.
So will es Siggi auch in der Arbeit des Psychologen erklärt haben.
Siggi ist schwer erziehbar, Deutschland ist schwer erziehbar, ist krank. Das wird in dieser Deutschstunde gelehrt.

Und mit diesem Wahn, seiner Pflicht auch noch nachgehen zu müssen, wenn es gar keinen Grund mehr dazu gibt, "wenn alles vorbei ist", stellt der Deutsche sich auch heute noch oder meint, sich über alle anderen stellen zu müssen. Das Lehrerhafte, das er nicht ablegen kann. Die Deutschstunde geht immer weiter.

Siggi kommt nie zu spät, auch nicht pünktlich, sondern stets zu früh, damit er gewissenhaft alles regeln kann, um seiner Pflicht nachkommen zu können.
Auch der Maler tat seine Pflicht. Trotz Malverbots malte er weiter und wenn es auch nur "unsichtbare Bilder" waren, Bilder im Geiste, egal, er hatte seine Arbeitspflicht erfüllt.
Und auch nachdem alles vorbei war, öffneten die Wärter im Museum nicht vor der Zeit, sie hatten einen Befehl auszuführen, pünktlich zu öffnen, das war ihre Pflicht.
Und der Maler: Sein Selbstbildnis mit den zwei Gesichtshälften verdeutlicht alles. Eine Hälfte für das Unverständnis wegen der übertriebenen Pflichterfüllung des Polizeipostens, die andere Hälfte für seine eigene Pflichterfüllung, von der er nicht lassen konnte und wollte.
Lenz spricht von Starrsinn. Aber ist Pflichterfüllung wirklich nur Starrsinn ?

Der letzte Satz ist dann das Resultat dieser Deutschstunde, die Erkenntnis, daß sich nichts ändern wird.
Härtling sagt zum Schluß seiner Kritik, er, Lenz, möge es nicht dabei belassen. Er muß es dabei belassen, denn die Lehrstunde, die Deutschstunde hat bei den Deutschen nichts bewegt. "Ich werde die Strafarbeit auf seinen Schreibtisch legen", auf ihren Schreibtisch legen.

"Eine Handbewegung, und wir werden uns setzen,....,zufrieden mit uns, weil jeder das Gefühl haben wird, gewonnen zu haben."

 Bleibt die Frage, war und ist auch unser Leben so? Ich befürchte es. Wir sitzen noch immer in dieser kleinen Zelle und warten auf das Klingelzeichen, auf das Ende der Deutschstunde, auf unsere Entlassung,die wir, wenn wir ehrlich sind, eigentlich gar nicht wollen.






Heimatmuseum

Mit schweren Brandverletzungen liegt der Teppichwirker Zygmunt Rogalla im Krankenhaus einer norddeutschen Kreisstadt und versucht einem jungen Besucher, dem Freund seiner Tochter, die Gründe für eine unfaßbare Tat zu erklären: Er hat mit voller Absicht das masurische Heimatmuseum in Brand gesteckt, das er selbst unter großen Opfern in Schleswig-Holstein aufgebaut hat, um das Erbe seiner verlorenen Heimat zu retten. Warum?

Schicht um Schicht enthüllt er die Motive der Brandstiftung. Er erzählt von der masurischen Kindheit und Jugend, von den Schrecken der beiden Kriege, die seine Heimat zerstört haben, von Flucht und Vertreibung ... »Lenz schreibt keine Heimweh-Literatur: Er unterschlägt nichts. Er begründet den Verlust, sucht in der Geschichte nach den Wurzeln, um daraus Lehren für Gegenwart und Zukunft zu ziehen.« (Horst Bienek)

 


Mein Einwurf 

"Heimat", so der Ich-Erzähler, ist "eine Erfindung der Melancholie". Der Versuch, unserem Sein eine "überschaubare Dauer zu verschaffen".   

Und eigentlich, so meine ich, ist das "Heimatmuseum" doch nur ein anderer Aufsatz, den der Siggi aus der "Deutschstunde" schreibt. Aber inzwischen haben wir die Erinnerungen, haben wir unsere Taten oder Nichttaten verbrannt und warten im Krankenhaus nach den dabei erlittenen Verbrennungen auf unsere Genesung und Entlassung. Aber "die gehüteten Befunde sind zerfallen, die Spuren gelöscht." Doch noch sind sie, ist das Heimatmuseum im Bewußtsein einiger, vielleicht bald nur noch eines Einzelnen, der sie am Krankenbett erzählen kann. Und ja, es ist seine Pflicht, sie weiterzugeben.

Darum hören wir ihm, wie dieser Martin, gut zu.

"Nein, es war kein Unglück. Ich habe das Feuer gelegt."

Nein, wir haben das Feuer gelegt. 

 



 

Stadtgespräch


Schauplatz der Handlung ist eine fiktive Kleinstadt an einem Fjord, die von einer fremden Macht besetzt ist. Auch wenn die Namen der Länder nicht genannt werden, ist als historischer Kontext die Schauplatz der Handlung ist eine fiktive Kleinstadt an einem Fjord, die von einer fremden Macht besetzt ist. Auch wenn die Namen der Länder nicht genannt werden, ist als historischer Kontext die deutsche Besatzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg zu erkennen. Eine aus jungen Männern bestehende Widerstandsgruppe, die sich in den Bergen nahe der Stadt versteckt, verübt ein Attentat auf einen deutschen General, der auf dem Weg zum Stadtkommandanten ist. Sein Auto wird beschossen, er überlebt jedoch, schießt zurück und verletzt dabei Daniel, den Anführer der Widerstandskämpfer. Daraufhin nehmen die Besatzungstruppen 44 Männer aus der Stadt fest und fordern, dass Daniel sich ihnen stellt und den Widerstand aufgibt. Andernfalls würden die Geiseln exekutiert. im Zweiten Weltkrieg zu erkennen. Eine aus jungen Männern bestehende Widerstandsgruppe, die sich in den Bergen nahe der Stadt versteckt, verübt ein Attentat auf einen deutschen General, der auf dem Weg zum Stadtkommandanten ist. Sein Auto wird beschossen, er überlebt jedoch, schießt zurück und verletzt dabei Daniel, den Anführer der Widerstandskämpfer. Daraufhin nehmen die Besatzungstruppen 44 Männer aus der Stadt fest und fordern, dass Daniel sich ihnen stellt und den Widerstand aufgibt. Andernfalls würden die Geiseln exekutiert.



 

Das Vorbild


Drei Pädagogen - ein pensionierter Rektor, eine intellektuelle Lektorin und ein fortschrittlicher Studienrat - treffen sich in Hamburg, um im Auftrag eines Arbeitskreises der Kultusministerkonferenz für die Bundesrepublik ein neues repräsentatives Lesebuch zusammenzustellen. Uber die beiden ersten Teile können sie sich mühelos einigen. Das dritte Kapitel, Lebensbilder-Vorbilder, bringt jedoch unerwartete und kaum zu bewältigende Schwierigkeiten mit sich. Auf unsicherem Boden treten die drei Kollegen vor und zurück, richtend, wertend und urteilend. Zu dem Dilemma ihrer anfechtbaren Vorbilder kommen ihre eigenen Probleme. Schon sieht es so aus, als könnte man bei der Suche nach dem Vorbild zu keiner Einigung gelangen, da wird ein Name in die Debatte geworfen: Lucy Beerbaum, eine berühmte Biologin - allerdings nicht unumstritten, denn sie setzte ihrem Leben ein vorzeitiges Ende. Die kaum lösbare Aufgabe scheint gelöst - da verweigert der Verleger die Annahme. Was sollen junge Leute mit einem Vorbild, das ausschließlich leidet, mitleidet? Ein Fiasko also am Ende: alle geben auf.

 

 

Mein Einwurf


Meinen Einwurf zum Heimatmuseum habe ich mit dem Satz geschlossen: Nein, wir haben das Feur gelegt. Am Ende des "Stadtgespräch" sagt Daniel: Für mich beginnt und endet alles mit der Rechtfertigung. Nein, nicht er muß sich srechtfertigen, wir müssen uns rechtfertigen. Und nicht Sigge muß den Aufsatz in der Deutschstunde schreiben, sondern wir. Aber das "Vorbild" beweist das Gegenteil. Am Ende geben alle auf, weil sie ihre Pflicht nicht erfüllen können. Und, weil sie nicht Vorbild sind, nicht sein können.Nicht für andere, aber auch nicht für sich. Von Siggi über Zygmunt Rogalla, von Valentin Pundt,Janpeter Heller, Rita Süßfeldt bis Daniel. Und wie sieht es heue mit uns aus ? Haben wir Siggis Aufsatz zumindest weiter geschrieben ?  Haben wir das Heimatmuseum für die Lehren der Zukunft wieder aufgebaut ? Sind wir Vorbild für die heutige Jugend ? Und schließlich., haben wir die Erfahrungen aus der Vergangenheit aufgeschrieben ?


Siggi wird in seiner Zelle von Daniel abgelöst. Er will irgendwann die Wahrheit aufschreiben und sie dem verfälschenden „Stadtgespräch“ entgegenhalten.  Das sollte auch unsere Aufgabe sein. Die Verfälschungen der Geschichte richtig zu stellen.Wir sollten Daniel ablösen. Am Ende wird sich zeigen, ob die Geschichte je aufhören wird.


Nein, es geht immer weiter.

 


 

Ihr ganz lieben Zwei


Briefwechsel 1965-2014

Lilo und Siegfried Lenz / Loki und Helmut Schmidt


Über 400 Briefe, Karten und Telegramme sind in der Zeit von 1965 bis 2014 zwischen Lilo und Siegfried Lenz auf der einen und Loki und Helmut Schmidt auf der anderen Seite gewechselt worden. Dass nicht nur zwei, sondern gleich vier Personen in den Briefverkehr einbezogen sind, macht ihn so faszinierend. Wir wissen, wie bedeutend ihre Freundschaft für die beiden Männer gewesen ist, aber erst jetzt wird deutlich, dass es um eine intensive Freundschaft zwischen zwei Ehepaaren ging, in die alle vier Beteiligten ihre Interessen einbringen und sich darin begegnen, bereichern und ergänzen.


 

Mein Einwurf


Nur eine ganz kurze Bilanz, weil einiges doch noch einmal gesagt werden muß, wegen des Buchs, wegen der Romane, wegen meines Verständnisses der Romane und des Verständnisses des Schriftstellers.


Da behauptet doch ein gewisser Marques-Marcalo von NDR-Kultur „dieser Briefwechsel“ sei "nur bedingt lesenswert“ , weil man dauernd hin-und herblättern müsse. An dieser Stelle bedauer ich den armen Mann wegen der schweren Arbeit. Auf seine anderen Einwände will ich gar nicht eingehen. Er hat einfach nichts verstanden und wohl auch kein Interesse, mehr über die Personen, die Zeit, das Funktionieren von Politik und Literatur zu erfahren. Und er scheint auch nicht bemerkt zu haben, daß es sich hier nicht um einen Roman handelt. Doch genug der Kritik an den flachen Äußerungen dieses Kulturexperten. Die kürzlich festgestellte Leseschwäche in unseren Schulen scheint sich auch beim NDR-Kulturmagazin schon bemerkbar zu machen.


Was habe ich nicht alles schon über Siegfried Lenz und Helmut Schmidt erfahren. Über verschiedene Romane von Lenz und Bücher von Schmidt, über politisches Geschehen von 1965 bis 2015, über Natur und Umwelt von Loki Schmidt, über Literatur und Politik, bin auf Sartres Essay "Was ist Literatur" gestoßen, was mich auch noch immer beschäftigt. Themen wie "Preußische Tugenden", "Angst-ein politischer Faktor ?, "Wie Radikalität entsteht", sind nur ganz wenige Punkte. Und jeder Brief, jede Rede, jeder Gedankengang führen wieder zu anderen Büchern, Aufsätzen, Essays.


Ja, dieses Buch bietet viel Wissenswertes und viele Hinweise auf Wissenswertes. Voraussetzung ist natürlich, daß man es auch wissen will und vor allen Dingen lesen kann. Für mich ist es jedenfalls eine Fundgrube.


All das beweist mal wieder, daß Literatur eben nicht nur aus Romanen und Gedichten besteht. Alleine schon, um diese besser zu verstehen, benötigen wir weiteres literarisches Material. Wie zum Beispiel Briefwechsel. Besonders, wenn sie von so vielen Anmerkungen und Dokumenten wie in diesem Fall begleitet werden.


Ich will für all das Genannte nur einen einzigen Punkt anführen. Die Laudatio von Helmut Schmidt aus dem Jahr 1973 zur Verleihung des "Weilheimer Literaturpreis" an Siegfried Lenz, die mich zu dem Roman " Das Vorbild" von ihm gebracht hat. Dieser Roman könnte eine Fortsetzung von der "Deutschstunde" sein, was Lenz aber bestreitet, sich dagegen wehrt. Doch wie auch immer, das Thema, die Pflichterfüllung, kann man auch hier nicht überlesen. Überhaupt sind es diese beiden Überschriften, die bei Lenz immer wieder im Vordergrund stehen, und jeder dieser Romane könnte auch eine Geschichte in einem dieser beiden Romane sein. Nicht zu vergessen natürlich das "Heimatmuseum". 


Pflichterfüllung und Vorbild. Gleichsam im "Stadtgespräch", was dann wieder als Geschichte in den anderen Romanen auftauchen könnte. Und alles findet sich auch in vielen Reden, Anmerkungen, Briefen an Schmidt wieder. Und auch für Schmidt sind es ja immer wieder Überschriften, Standpunkte: Pflichterfüllung und Vorbild. 


"Ihr ganz lieben Zwei."

 





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