Rilke Rainer Maria

 

Rainer Maria Rilke 

* 04.Dez. 1875 in Prag

† 29. Dez.1926 im Sanatorium bei Montgreux,Schweiz

 

 

Vorfrühling

Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
 Zärtlichkeiten, ungenau,

greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
 Ausdruck in dem leeren Baum.

(Aus: Die Gedichte 1922 bis 1926 (Muzot, etwa 20. Februar 1924))

 

 

Mein Einwurf

Eine Ahnung, eine Vermutung, etwas, was wir noch nicht beweisen können, aber glauben zu wissen, etwas, was wir aber, ohne es direkt zuzugeben, im Inneren herbeisehnen, ein Wollen, welches wir nur indirekt benennen, vorsichtig umschreiben, aber irgendwie doch darauf beharren, wissend, daß der Weg nur vorgezeigt ist, aber hoffend, daß unvermutet das erwartete Ergebnis vor uns steht. Vor ihm stehend und doch gedanklich schon vereinnahmt.

Die Härte des Vergangenen weicht und wir nähern uns dem Ersehnten mit Zärtlichkeit, um es für uns einzunehmen, ein Teil von uns werden zu lassen. Behutsam aufdeckend, die Richtung des Fließenden unleitend, um unvermutet und fast schon nicht mehr erwartet, aus dem leeren Baum heraussprießt, was wir erahnt, vermutet, vorhergesagt, erhofft, gewollt,im Sein des Bewußtseins entworfen, 

"wo die stumme Natur werdende Tage sinnt". (Hölderlin-Lebenslauf)



 

 


 

 

 

 

 

Nach oben