Maar Michael



Michael Maar


* 17.07.1960 in Stuttgart


Germanist, Schriftsteller und Literaturkritiker. Dissertation über Thomas Mann.



Werk unter anderem : 


2013 Heute bedeckt und kühl. Große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf.

 

Auszeichnungen unter anderem:

 

1995 Johann-Heinrich-Merck-Preis 

2010 Heinrich-Mann-Preis 





Heute bedeckt und kühl

Große Tagebücher von Samuel Pepys bis Virginia Woolf.


Michael Maar hat besonders schöne, bemerkenswerte, spektakuläre und eindrücklich-typische Beispiele für große Tagebücher zusammengetragen und stellt sie vor, klug, glänzend geschrieben, unterhaltsam und pointiert. Eine Entdeckungsreise zu den großen Diaristen von Samuel Pepys bis Thomas Mann, von Friedrich Hebbel bis Christa Wolf, von John Cheever bis Peter Sloterdijk. Und Maar vergisst auch nicht, sich mit der Frage zu beschäftigen, was in Zeiten von "Facebook" wohl aus dem Tagebuch werden wird.



Mein Einwurf


Etwas „bedeckt und kühl“ war es heute schon, jedenfalls im Vergleich zu den letzten Tagen, aber wir stehen ja auch erst am Anfang des Frühlings und wollen nicht gleich alles vorwegnehmen. Diese kommende Jahreszeit bietet ja so unendlich viel, ist eine Fundgrube für Veränderungen. Bertolt Brecht behauptet sinngemäß, daß Veränderbarkeit menschliches Tun verlange. Nun kann ich mit dem Aufschreiben des täglichen Tuns zwar nicht unbedingt eine  Veränderung des Seins herbeiführen, aber vielleicht eine Veränderung des späteren Denkens über das augenblickliche Sein. Und so dienen Tagebücher nicht nur dazu Ereignisse zu schildern, sondern machen auch Aussagen über das Denken einer Zeit, sind gedankliche Zeitreisen, nichts Abstraktes und nichts Romanhaftes, Erfundenes, Vorgestelltes.


 Ein wichtiger Bestandteil des Tagebuchs scheint das Unglück zu sein. Oft auch das persönliche Unglück, so meine Meinung. Davon abgesehen, sind Tagebücher ja immer etwas ganz Persönliches, mehr noch, etwas ganz Intimes, sagen mehr über den jeweiligen Menschen aus, als Biographien. Sie zeigen sein Sein, sein Handeln, aber vor allen Dingen auch sein Denken. Sie sind sein Denken. Für manche  außerdem wichtig zur Verarbeitung von Dingen, die er seiner Umwelt nicht zumuten will, oft nicht darf, die er eigentlich nur mit sich selber ausmachen kann, die manchmal auch nur für ihn selber wichtig sind. Es ist eben, wie Arthur Schnitzler es ausdrückt, ein gutes Gefühl, „mit wem zu plaudern, der einem nicht widersprechen kann.“


Michael Maar zitiert aus dem Tagebuch von Kempowski: „ Die Alltäglichkeiten sind es, die diese Aufzeichnungen so interessant machen. Kaufe mir heute eine grüne Brille. Das ist es. Das macht unser Leben aus.“ Insofern ist dieses Werk über so viele unterschiedliche Tagebücher aus so unterschiedlichen Zeiten eine Fundgrube, die Maar hier vorlegt. 

Persönliche Tagebücher –Traumtagebücher - Historische Tagebücher - Tagebücher des Alltags - Humoristische Tagebücher, besser, Tagebücher mit humoristischen Momenten

Ein kleines Beispiel zum letzteren Format von Peter Sloterdijk zum Thema Mythos: „ Der Mythos enthalte die Antwort des Zeitgeists auf die Fragen: Wie erklären wir den Unglücklichen ihre Lage? Und wie bringen wir die Frauen dazu, ruhigzuhalten?

Doch die Botschaft aus allen Tagebüchern liefert Maar selber: "Du bist nicht alleine."

Und in diesem Sinne werde ich noch sehr oft in diesem Buch blättern und lesen, weil es Botschaften für viele Augenblicke, für viele Lebenslagen bereit hält, aber eben auch Botschaften aus vergangenen Zeiten, welche die Veränderungen zum Jetzt deutlich machen. Am Ende bezeichnet der Autor übrigens Facebook als das moderne Tagebuch des 21. Jahrhunderts. Was für ein gruseliges Ende.




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