Autorenlesungen2017

 

Autorenlesungen

 

 

 

Deutsche Literatur der Gegenwart

2017

 

 Gedanken -

                                beim Zuhören geboren

 

 

Thomas Lehr - Lukas Bärfuss - Michael Roes - Alissa Walser - Werner Fritsch/Angela Winkler -  

Markus Orths - Ann Cotten

 

 

 

 

 

 

 Thomas Lehr

liest aus: „Schlafende Sonne“ – 16.10.2017

 

Geboren am 22. November 1957 in Speyer

Deutscher Schriftsteller.

Studierte Biochemie, Mathematik und Physik

Freier Schriftsteller, lebt in Berlin.


Werk unter anderem : 

Schlafende Sonne, Roman   2017

 

Auszeichnungen unter anderem:

  • 2017: Nominierung zum Deutschen Buchpreis mit Schlafende Sonne (Shortlist)
  • 2018: Literaturpreis der Stadt Bremen für Schlafende Sonne

 

 

 

       

Schlafende Sonne

Rudolf Zacharias reist nach Berlin. Dort will der Dokumentarfilmer die Vernissage seiner früheren Studentin Milena Sonntag besuchen. Thomas Lehrs Roman spielt an einem Sommertag des Jahres 2011 - und zugleich in einem ganzen Jahrhundert. Denn in ihrer Ausstellung zieht Milena nicht nur eine künstlerische Lebensbilanz, sondern die ihrer Zeit. Mit sprachlicher Kraft werden historische Katastrophen neben die privaten Verwicklungen dreier Menschen gestellt, führen die Spuren von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs bis ins heutige Berlin.

 

 

 

Notizen

In diesem Roman unternimmt der Autor formale Anstrenungen zum Aufbau . „ Die Spirale ordnet das Chaos.“, soll heißen: Er beginnt im Jetzt oder im Morgen und läßt die Ereignisse sich entwickeln, abspulen, wie bei einer Spirale , in die Vergangenheit.

Das ganze Werk und vor allen Dingen der Autor selbst, sind sehr stark naturwissenschaftlich geprägt. Lehr studierte schließlich Biochemie, Mathematik und Physik.

Insgesamt soll es sich einmal um eine Triologie handeln. „Schlafende Sonne“, erschienen 2017, ist der erste Teil, mit Rückblenden auf die Kaiserzeit des beginnenden 20. Jhd.. Nach Aussage von Lehr soll sich der zweite Teil auf den 1. Wk und der dritte Teil auf den 2. WK beziehen.

Der Autor wollte ursprünglich eine Dreiecksgeschichte schreiben. Am Ende standen die drei Hauptpersonen für „Philosophie“ – „Physik“ – „Kunst“ und sollen die Entwicklungen auf diesen Gebieten aufzeigen. Die Gegenwart beginnt in der DDR kurz vor dem Mauerfall.

Dabei trifft „Kunst“ – die Hauptdarstellerin ist Malerin – auf Philosophie – Husserl.

Die geschichtlichen Personen werden nicht immer direkt genannt, sind aber stets zu erkennen und werden am Ende, im Anhang, auch vom Autor bekanntgegeben.

Die formale Struktur mit den Rückblenden sagt mir persönlich zu, empfinde ich als Bereicherung.

Ansonsten eignet sich dieser Roman, dieses Projekt, meiner Meinung nach nicht oder nur sehr bedingt für eine Lesung, weil viel zu komplex und mit wenigen Absätzen, Ausschnitten kaum bis gar nicht zu erfassen, zumindest dann nicht, wenn der Hörer sich vorher nicht schon ziemlich ausführlich mit dem Inhalt beschäftigt hat.

 

 

 

Lukas Bärfuss

liest aus: „Hagard“ – 23.10.2017

 

Geboren am 30. Dezember 1971 in Thun

 Schweizer Schriftsteller, Dramatiker und Dramaturg.

Freier Schriftsteller und Lehrbeauftragter am Schweizerischen Literaturinstitut in Biel

Daneben war er von 2009 bis 2013 Dramaturg am Schauspielhaus Zürich.


Werke unter anderem :

Koala, Roman 2014

Hagard, Roman   2017

 

Auszeichnungen unter anderem:


2008 Anna Seghers-Preis

2016 Johann-Peter-Hebel-Preis

2018 Preis der LiteraTour Nord „für sein bisheriges Werk und seinen jüngsten Roman "Hagard

2019 Georg-Büchner-Preis

 

 

 

Hagard

Ein Mann, eben stand er während des Feierabendgedrängels noch am Eingang eines Warenhauses, folgt aus einer Laune heraus einer Frau. Er kennt sie nicht, sieht sie auch nur von hinten, aber wie in einem Spiel sagt er sich: Geht sie dort entlang, folge ich ihr nicht weiter; geht sie in die andere Richtung, spiele ich das Spiel noch eine kleine Weile weiter.

Die aufgerufenen Fragen über unsere Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert gewinnen eine unabweisbare Schärfe.

 

 

Notizen

Der Autor, Dramatiker und seine Poesie

„Ich kenne alles, aber ich weiß nichts“   Dieser Satz erinnert an die falsch übersetzte Aussage von Sokrates: ich weiß, daß ich nicht (s) weiß.

Der Autor erzählt in seiner Geschichte in langen Nebensätzen ganz andere Geschichten, aktuelle oder nur Überlegungen oder was ihm gerade zu einer Begebenheit, zu einem Etwas einfällt.

Bärfuss behauptet, als Künstler müsse man im Gegensatz zu anderen Berufen etwas Neues machen, etwas machen, was man eigentlich nicht kann.

Der Roman, so behauptet er, steckt in einer Krise. Es gibt kein abgeschlossenes Bewußtsein heute mehr.

Sein Ziel ist es, daß der Leser alles um sich herum vergißt, „in die Syntax abtaucht, Komma hinter Komma und irgendwann mit dem Verb wieder auftaucht.

Beim Schreiben stellt er sich alles, jede Szene, jeden Weg, jede Kleinigkeit genau vor.

Die Literatur, so Bärfuss, sei ein Ort, wo man mit allen asozialen Dingen umgehen kann.

Die Hauptperson, besser der Ich-Erzähler bei „Hagard“ kann eigentlich alles gar nicht gesehen haben, aber, so der Autor, der Mensch wird heute nur noch mit Geschichten konfrontiert, so werden ihm auch keine Waren, sondern nur noch die Geschichten dahinter verkauft.

Selbst die Zeit wird in den Bildern der Geschichte nicht mehr wahrgenommen. (Egal, ob es heißt: Der Adler fliegt über den Berg oder der Adler flog über den Berg). Nur das Bild prägt sich ein, bleibt haften.

 

 

 

 

 

Michael Roes

liest aus: „Zeithain“ – 30.10.2017

 

Geboren am 7. August 1960 in Rhede/Westfalen

Deutscher Schriftsteller, Romanautor, Dichter, Essayist, Stückeschreiber, Anthropologe und Filmemacher.

Studierte er Psychologie, Philosophie und Germanistik

Diplom in Psychologie

1991 promovierte Roes mit einer Arbeit über Isaak und wurde damit Doktor der Philosophie.


Werke unter anderem :

Rub’ al-Khali – Leeres Viertel. Roman  1996

Weg nach Timimoun. Roman  2006

Zeithain. Roman  2017

Herida Duro. Roman 2019

 

Auszeichnungen unter anderem:

2018 / 2019 37. Poetikdozentur der Universität Paderborn

2020 Margarete-Schrader-Preis für Literatur

2020 Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis

 

 

 

Zeithain

Eines der erschütterndsten Dramen der deutschen Geschichte ereignete sich im 18. Jahrhundert in Zeithain. Es handelt von Friedrich dem Großen, der als junger Kronprinz unter dem Regime seines Vaters unvorstellbar leidet. In seiner Not wendet sich Fritz an seinen einzigen Freund, Hans Hermann von Katte. Er soll ihm helfen, ins Ausland zu fliehen, während sein Vater von der Militärparade in Zeithain abgelenkt ist. Katte, ein Offizier des Königs, gerät in einen tiefen Zwiespalt, doch er kann der Zuspitzung der Ereignisse nicht entrinnen.

 

 

Notizen

Der Autor vermischt die Grenzen zwischen Roman – Wissenschaft und anderen Disziplienen.Er hebt die Grenzen von Wissenschaft und Literatur auf.

Ein Roman darf seiner Meinung nach nicht gerecht sein oder parteilich.

Der Roman „Zeithain“ erzählt das Verhältnis vom preußischen Kronprinzen Friedrich und seinem Freund Hans Hermann von Katte. Und zwar aus der Sicht von Katte, nicht wie vorher stets aus der von Friedrich.

Die Zeit, Anfang 18. Jahrhundert, war ein Wendepunkt, etwa wie heute zwischen Aufklärung und religiösem Fundamentalismus.

Zeithain (ein kleiner Ort in Sachsen) ist ein historischer Roman, wenn auch nicht immer wissenschaftlich. In erster Linie wohl ein gesellschaftliches Bild der Zeit. Im Mittelpunkt steht das Vater-Sohn Verhältnis jener Zeit. Privat und auch als Politikum.

Es gibt im Roman zwei Ich-Erzähler, weg vom historischen Roman, hin zu einem Empfinden im Jetzt. Die Ich-Erzähler sprechen auch in der Gegenwart und gehen ineinander über.

Zeithain ist eine Autobiographie in tagebuchhafter Echtzeit.

 

 

 

 

Alissa Walser

liest aus: „Eindeutiger Versuch einer Verführung“ – 16.11.2017

 

Geboren am 24. Januar 1961 in Friedrichshafen

Deutsche Schriftstellerin, Malerin und Übersetzerin.

Frühe Arbeiten publizierte sie unter dem Pseudonym Fanny Gold.

Studierte Malerei in Wien, schriftstellerisch und als Übersetzerin tätig


Werk unter anderem :

Eindeutiger Versuch einer Verführung. Erzählungen 2017

 

Auszeichnung unter anderem:

1992: Ingeborg-Bachmann-Preis

 

 

 

Eindeutiger Versuch einer Verführung

Geschichten einer Frau, Szenen einer Ehe, Gefühle einer Tochter - Alissa Walser versammelt die Augenblicke, in denen sich das Leben zuspitzt. Einfühlsam, elegant und lakonisch erzählt Alissa Walser von Bedeutungsvollem und scheinbar Beiläufigem und von der zweifelnden Suche nach dem Glück, das ein scheues Tier ist.

 

 

Notizen

Es handelt sich hier um einen Erzählband von knappen 60 Erzählungen.

Das Thema der Autorin ist immer wieder das Geschlechterverhältnis. Beobachtungen von Alltagsgeschichten, auch bei Tieren, im Vergleich zum Verhalten von menschlichen Verhältnissen.

Sie sammelt im Alltag kleine Geschichten oder auch Erzählungen, um irgendwann etwas daraus zu komponieren.

Leider macht die Autorin auf mich den Eindruck, daß sie weder Fragen, noch ihr vorgelegte Zitate versteht. Es fällt ihr schwer, überhaupt Antworten auf etwas zu geben.

Eigentlich scheint sie kaum zu wissen, was und warum sie irgendetwas schreibt.

 

 

 

 

Werner Fritsch und Angela Winkler

lesen aus: „Nofretete“ – 27.11.2017

 

Werner Fritsch geboren am 4. Mai 1960 in Waldsassen, Oberpfalz, Bayern

Deutscher Schriftsteller.

Bis 1984 Autor, Regisseur und Darsteller am Aktionstheater/Performances.

 

Auszeichnung unter anderem:


1987 Robert-Walser-Preis

 


Angela Winkler geboren am 22. Januar 1944 in Templin

Deutsche Schauspielerin.

Seit 2010  Mitglied der Akademie der Künste Berlin

 

Auszeichnung unter anderem:


1976: Deutscher Filmpreis als Beste Darstellerin in Die verlorene Ehre der Katharina Blum

2019: Deutscher Schauspielpreis – Theaterpreis

 

 

 

Nofretete

Mehr als drei Jahrtausende greift Werner Fritsch in seinem neuen Stück zurück und gibt der legendären ägyptischen Königin klangvolle Stimme und tragische Gestalt. In der Grabkammer ihres jüngst verstorbenen Königsgemahls Echnaton erinnert sie ein bewegtes und gefährdetes Leben im Bannkreis der Macht. Echnaton, Dichterfürst und Religionsgründer, hatte mit Gewalt den Monotheismus in Ägypten eingeführt. Nun, nach seinem Tode, drohen die Verhältnisse zu kippen und die alte, mafiöse Priesterkaste wieder die Oberhand zu gewinnen.
 Seine Nofretete, so Werner Fritsch, »soll zwischen den Zeiten pendeln, aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit, die immer mehr zur Metapher der Gegenwart wird.«

 

 

Notizen

Werner Fritsch: Sprache ruft immer noch die meisten Bilder hervor.

Welche Bedeutung hat Nofretete aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. für das Jetzt ?

Eine Vision, eine große Dichtung – Sonnengesang - .

Für Fritsch geht es nicht um die Geschichte – Ägyptische Mythologie -, sondern hauptsächlich um die Dichtung.

Werner Fritsch: Ohne Liebe kann man keine Schönheit herstellen.

Eine Analogie besteht nicht nur zur Mythologie, sondern es handelt sich auch um eine Vision, daß das Licht, die Sonne, auch heute wieder aufgeht.

Die Ägypter hatten stets Angst, daß die Sonne morgens nicht wieder erscheint.

Diese Angst und die Hoffnung müssen auch Vision für das Heute sein.

Diese Veranstaltung war ein wunderbares Klangerlebnis, besonders durch die herrliche Lesung von Frau Winkler, durch die, auch, wenn man fern der ägyptischen Mythologie  in seinem Wissen ist, der Text, der zunächst nicht lesbar schien, aber, wie gezeigt , doch sehr gut lesbar ist, dieser Text plötzlich lebendig und verstehend und erkennbar wurde.

 

 

 

 

Markus Orths

liest aus: „Max“ – 04.12.2017

Auftaktlesung zur 36. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

 

Geboren am  21. Juni 1969 in Viersen

Deutscher Schriftsteller

Studierte Romanistik, Englisch und Philosophie


Werke unter anderem:

Wer geht wo hinterm Sarg? Erzählungen  2001

Lehrerzimmer. Roman   2003

Die Tarnkappe. Roman   2011

Irgendwann ist Schluss. Erzählungen   2013

Max. Roman 2017

 

Auszeichnungen unter anderem:


2011: Phantastik-Preis der Stadt Wetzlar für Die Tarnkappe

2012: Stückewettbewerb des Theaters Baden-Baden für Die Entfernung der Amygdala 

2019: Jahresstipendium Deutscher Literaturfonds e.V.

 

 

Max

Sechs Frauen, sechs Lieben, ein Jahrhundert – Markus Orths erzählt von einer wahnwitzigen Zeit

und einem großen Künstler: Max Ernst.

 

 

Notizen

Es handelt sich um eine Roman-Kurz-Biographie, in der Max Ernst, Maler-Grafiker und Bildhauer, 1891-1976, die Hauptrolle spielt.

Und über die sechs wichtigsten Frauen in seinem Leben.

Gelesen hat Markus Orths über Leonora Carrington. Zeit: 2.Weltkrieg, Frankreich

Markus Orths war und ist begeistert vom vielfältigen Leben des Max Ernst. Gesellschaftlich, politisch und künstlerisch.

Eine eigene Biographie von Max Ernst, erweitert durch die Menschen, die Frauen um ihn. So konnte er auch aus der Perspektive der sechs Frauen schreiben und die Lebensstränge der anderen Menschen miteinander verbinden. Daraus ergibt sich ein Spektrum der Kunstgeschichte dieser Zeit.

„Deutungsversuche sind Mordversuche.“ Beschreibung eines Bildes von Max Ernst.

Surrealismus von M. Ernst: Man darf keine Angst davor haben, etwas zu erschaffen.

Markus Orths: „ Für mich sind die schönsten Geschichten die, die dann anfangen, wenn sie aufhören. Das heißt: Der Film beginnt erst, wenn das Buch zu Ende ist, im Kopf des Lesers, und natürlich auch zwischendrin beim Lesen.“

 

 

 

Markus Orths

36. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

„Was wir komisch finden“

Vorlesung 1: „Wie schön ist die Musik, wie schön erst, wenn sie aufhört“ – 11.12.2017

 

 

Notizen

Orths liest kurz aus seinem Roman „Hirngespinste“.

Für Komik gibt es ein unabdingbares Wissen und ein nicht so wichtiges Wissen.

Stille: Das Aufgeben der Absicht des Künstlers. Frage: Welche Absicht ?

John Cage spielt ein Stück ohne Noten 4`33“ Min.

Was man in der Zeit des Zuhörens, in der man nichts hört, nicht alles machen könnte, zum Beispiel bei mir unendlich viel denken.

Das Kunstwerk als Kontrollverlust des Betrachters.

Es ist nur Infragestellung des Lesers, wobei es nicht um den Hintergrund des Künstlers geht.

Nicht er, der Künstler steht im Mittelpunkt, sondern ich, mit dem etwas geschieht.

Eine existenzielle Erfahrung – nicht verallgemeinerbar.

Es ist etwas Zusätzliches, ein zusätzlicher Raum für den Betrachter, Leser. Dieser Raum bietet gleichzeitig eine zusätzliche Erfahrung, wobei der Künstler nicht mehr weiß, als der Betrachter.

Es entsteht ein Kontrollverlust beim Schreiber und beim Leser, durch überwältigt werden.

Die Wirkung eines Kunstwerkes ist der Moment des Kontrollverlustes beim Betrachter.

Man soll nicht erst interpretieren, sondern erst den eigenen Erfahrungsraum zum Zuge kommen lassen.

Kontrollverlust = Störung, Verunsicherung

 

 

Markus Orths

36. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

„Was wir komisch finden“

Vorlesung 2: „In welchen Schlamassel hast du uns jetzt schon wieder gebracht ?“ – 18.12.2017

 

 

Notizen

Hier am Beispiel von Stan Laurel und Oliver Hardy

Lachen = heftigster Kontrollverlust

Das Komische gehört zum Text

Der Humor gehört zum Leser

Mögliche Elemente des Komischen

Notwendiges Wissen – Bezugsrahmen für das Komische

Nachträgliche Analyse

 

Beim Schreiben:

A. Nachdenken, Stoff (Recherche)

     Was will ich eigentlich ?

B. Fluß, Rausch, Mitreißen lassen

     Vergessen, was ich will.

C. Überarbeitung, Kürzung

      Was wollte ich noch mal ?

D. Analyse

 

Äußerer Monolog

Konkreter Ansprechpartner – „Dialogsituation“ – aber ohne Antwort – Fingierte Mündlichkeit

Mögliche Elemente des Komischen

Wobei nicht zwingend alle Elemente auftreten müssen.

  1. Konflikt
  2. Das Unerwartete
  3. Kontraste
  4. Normabweichung
  5. Befreiung / Freiheit
  6. Wiedererkennung
  7. Übertreibung
  8. Distanz
  9. Überlegenheit und Unterlegenheit  

 

Konkrete Textebene

-         Einstimmung

-         Menschliches

-         Neue Bilder

-         Erklärung –Pointe

-         Echo der Pointe

-         Das Eigentliche

-         Einlösen der Pointe

-         Leser = Verbündeter

-         Abmilderung

 

 

 

Markus Orths

36. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

„Was wir komisch finden“

Vorlesung 3: „Mit dem Tod ist es genauso wie mit der Geburt, nur irgendwie umgekehrt“ – 08.01.2018

 

Notizen

„Man darf nicht alles glauben, was man denkt.“

Der Standpunkt des Satirikers muß auch Teil der Satire sein. Das Ziel des Autors/Satirikers ist erst erreicht, wenn die Satire auch in Frage stellt.

Es entsteht ein Wechselbad vom Komischen zum Traurigen, aber auch zum Albernen (Kontrollverlust). – Ja, unser Leben ist auch lächerlich > siehe albernes Lachen.

Das hinter dem Traurigen stehende Lustige wird plötzlich sichtbar. Der Tod ist der endgültige Kontrollverlust des Ich.

Wir alle klammern uns an Rituale, an Dinge der Arbeit usw., um die Zeit, von der man nicht weiß, wieviel sie ist, auszufüllen.

Schreiben ist auch eine Flucht vor dem kommenden Tod, indem ich einen Sinn schaffe für das Leben. Eine Ablenkung vom abartigen, lächerlichen Leben. Eine Ablenkung von der Frage nach dem Sinn des Lebens.

Wir lachen nicht über den Tod, sondern gegen den Tod.

Kontrollverlust beim Schreiben, beim Lachen, am Ende beim Sterben.

Sterben kann jeder nur einmal, man kann es nicht wiederholen. Genauso ist es mit der Geburt. 

 

 

 

Markus Orths

liest aus Texten in Arbeit: „Der nackte Kasper“ und „Die teuflische Komödie“ 15.01.2018

Abschlußlesung zur 36. Gastdozentur für Schriftstellerinnen und Schriftsteller

 

 

Notizen

Zu: „Der nackte Kasper“ – Hierbei handelt es sich zunächst um einen Arbeitstitel.

Beim Schreiben ist zu achten auf den Wechsel zwischen Komik und Alltagsgeschichten.

Zu: „Die teuflische Komödie“  - Auch hier ist alles noch in der Entstehung und auch der Titel steht noch nicht fest.

Die Erzählung bleibt im Dunkel, im Schwarz. Es geht nicht um religiöse Dinge, sondern um die Sekunde des Sterbens, genau diesen Moment.

Die Figuren im Hintergrund: Stan Laurel und Thomas von Aquin.

Orths hat im Hinterkopf die „Göttliche Komödie“ von Dante.

Dem Autor geht es allgemein um den Verzicht auf das Sehen. Siehe seinen Roman „Die Tarnkappe“.

 

Siehe auch Autorenlesungen 2013

und Autoren: Orths, Markus

 

 

Ann Cotten

liest aus ihren neuesten Werken – 22.01.2018

 

Geboren am 1982 in Ames, Iowa, USA

Deutschsprachige Schriftstellerin und Übersetzerin.

Germanistik-Studium

 

Auszeichnungen unter anderem:

2008: Clemens-Brentano-Preis

2015: Klopstock-Preis

2018: Stipendium in der Villa Aurora

2020: Internationaler Literaturpreis – Haus der Kulturen der Welt, zusammen mit der Autorin Isabel Waidner, für die Übersetzung Geile Deko

 

 

Notizen

Sie liest, beziehungsweise versucht ihre Dichtung aus nachfolgenden Werken zu erklären :

                   Jikiketsugaki. Tsurezuregusa.

und :          Fast Dumm, Essays von on the road

Ann Cotten sucht, nach eigener Aussage immer einen Grund zu finden, warum ein Gedicht, warum überhaupt etwas „gut“ ist.

„...die Liebe zur Wahrheit.....schöne Verse zu machen....“ bewegt sie.

An dieser Stelle erinnert sie mich ein bißchen an die Aussagen von Peter von Matt in seinem Band:“Was ist ein Gedicht“.

In dem ersten Werk kommt alles aus ihrem japanischen Erlebnissen und dem daraus entstehenden Denken. So versucht sie, die japanische Kultur zu verstehen und zwar auf allen Gebieten. Nebenbei findet eine Auseinandersetzung damit  auch auf der sexuellen Ebene statt.

Sie möchte erklären, daß es nicht nur unsere Weltsicht gibt, sondern viele andere.

 

AusFast Dumm“:

»Umarmt euch, / Tiefen von Seele und Meer. / Wer die ganze Zeit / nüchtern ist, / ist, wenn du mich fragst, / fast dumm.«
 Wladimir Majakowskij

Die Antwort: Es geht um die Abwechslung, nicht immer nur das Eine zu sehen.

Die Werke von Ann Cotten sind eine Art Nischenform der Literatur, wo sie in ihrer  Lyrik, ihren Gedichten immer auch verschiedene Formen zusammenstellt, gegenüberstellt. Gerne arbeitet sie auch mit unterschiedlichen Sonetten.

Sie spielt mit Worten, mit Figuren, sucht den Abstand.

Ann Cotten:

„Ich möchte herausfinden, was ich denke und nicht die Ansichten anderer Leute nachplappern.“


An dieser Stelle mal zwei Fragen und ihre Antworten:


Haben Sie auch schon ein Gedicht auf japanisch geschrieben ? 

Fragen Sie mich in dreißig Jahren noch einmal. 

(Sie ist 35)


Möchten Sie auch mal einen ganz normalen Roman schreiben?
Schnarch.

 Unten füge ich mal ein Gedicht an, damit man eine kleine Vorstellung von ihren Werken bekommt. 

 

Helmut Pohl

 

 

Ann Cotten

Aus „Verbannt“:

Wonnekind schaut, benommen von den eignen Worten,
aaaaaaaaaaauf Orama, das Netzkabel und mich.
„Hab ich zu viel gesagt?“, fragt er. „Sind wir Retorten
für deine Sekte?“, fragt das Internet in entlegenen
aaaForen
aaaaaaaaaaweniger Wonnekind als vielmehr sich.
„Nein, meine Sekte, wenn du wirklich sagen willst Sekte,
hat weniger Zweck als freundliche Funktion.
Sie legt sich auf alle, die hier sind: eine Decke
 gegen die Kälte des Kosmos. Wie ein Kondom

wohltuend trennt, um nicht zu beunruhigen
aaaaaaaaaadie Säfte mit, was wissenschaftlich nicht
aaaaaaaaaaerläuterbar, wirkungstechnisch jedoch schlicht
unheimlich ist, damit man sich nicht zuigeln
aaaaaaaaaamuss innerlich. Bis es vielleicht einmal zerbricht.
Was nicht vorauszusehen ist, für Sorgen so kein Thema.
Zerbrechen ist für uns die Gottheit Nummer zwei.
Wir verehren natürlich die Schraubengottheit wie immer,
 doch ist der Trickster Zerbrechen zu unsrem Glück dabei,

stört die Ordnung des Kosmos, oft zu unsren Gunsten,
aaaaaaaaaain jener eher kurzfristigen Sicht,
die wir so lieben, weil wir sie für süße Dinge nutzen,
Dummheiten wie den Zweitaktmotor oder Bumsen,
aaaaaaaaaada kümmert uns plötzlich das Schrauben nicht.
Und doch wird in diesen, sagen wir, leicht gelogenen
Momenten, meistens auch besinnungslos
euphorischen, die Schraube unsres Lebens festgezogen.
 Wir kommen aus diesem Gewinde nimmer los.

Die Sekte oder Decke dient dazu, das zu verschönern.
aaaaaaaaaaDamit man eher damit einverstanden ist.
Geschraubt wird sowieso, doch nicht um zu verhöhnen
die Menschen, wie sie manchmal glauben, wenn sie hören,
aaaaaaaaaawas sie nicht hören wollen. An den Ist-
Zuständen änderts alles; wenn man sie nur gutheißt,
sind sie leicht zu manipulieren, sozusagen weich.
Die Temperaturen der Seelen sollten immer etwa gleich
 heiß sein wie die Umgebung, dass es sie zusammenschweißt.

Und wie ein Einziges bewegt der Mensch die Welt,
aaaaaaaaaadie Welt den Menschen, der sie mag,
weil sie ihm auch in allem irgendwie gefällt.
Und er sich noch im Schlimmen gern zu ihr gesellt.
aaaaaaaaaaDer schöne Schmerz, unerbittliche Tag,
leichter Missklang, welcher nur reizt zu mehr –
wir lieben diese mehrdeutigen Sachen sehr.
Ihr habt es, wo alles erreichbar schien, vergessen,
 wie sehr das, was es ist, längst in eurem Ermessen

begraben ist, während ihr nach noch mehr vorausbestimmtem
aaaaaaaaaaMaterial die Hände recktet,
um es anzumalen, euch anzueignen, zu gebrauchen, flimmernd
vor Gier, Nichtigkeit mittels Geistmanöver anzuzünden,
aaaaaaaaaaeuch flammend lecktet,
verachtend euch, voll Sehnsucht, euch zu wissen,
in Eile zu verschwinden, hoheitsvoll und bissig
last ihr Bücher, angetrieben von vagen Schuldgefühlen,
legtet die gellenden Ohren auf Pfühle, voll mit Müllen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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