Hölderlin Friedrich

 

Johann Christian Friedrich Hölderlin

 

* 20.März 1770 in Lauffen am Necker,Herzogtum Württemberg

† 07. Juni 1843 in Tübingen,Königreich Württemberg

 

Hölderlin zählt zu den bedeutendsten Lyrikern seiner Zeit. 

Sein Werk lässt sich innerhalb der deutschen Literatur um 1800 weder der Weimarer Klassik noch der Romantik zuordnen.

 

 

 

Lebenslauf

 

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt

   All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,

      Doch es kehret umsonst nicht

         Unser Bogen, woher er kommt.

 

Aufwärts oder hinab! herrschet in heilger Nacht,

   Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,

      Herrscht im schiefesten Orkus

         Nicht ein Grades, ein Recht noch auch?

 

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,

   Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,

      Daß ich wüßte, mit Vorsicht

         Mich des ebenen Pfads geführt.

 

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

   Daß er, kräftig genährt, danken für Alles lern',

      Und verstehe die Freiheit,

         Aufzubrechen, wohin er will.

 

 

Mein Einwurf

Jetzt habe ich mir den Hölderlin bewußt noch einmal zu Gemüte geführt und bleibe immer wieder an diesen letzten Zeile hängen, weil sie inzwischen so etwas wie ein Motto für mein Leben, nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft geworden sind. Entscheident ist das Erkennen, denn ohne erkennen gibt es kein Aufbrechen und ohne aufbrechen kein Wohin. Erst durch das Erkennen unserer Selbst vor dem Hintergrund der Welt können wir aufbrechen, uns entwerfen auf ein Wohin. Also prüfe der Mensch zuerst alles, um sich zu entwerfen auf das Wohin, welches er erkannt hat und beharre nicht auf dem Größeren, das er gewollt hat. Denn auch im Orkus, im nicht Erreichten, gibt es noch ein Recht. Und damit eine Freiheit, zu der sich lohnt aufzubrechen. 

Meine ganz eigenen Gedanken - in Kurzform und nur auf wenige Zeilen bezogen - die Hölderlins "Himmlische" bewußt als solches ausschließen und ganz irdisch als Ziel begreifen.


 

 

Hälfte des Lebens

 

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

 

 

 

Weh mir, wo nehm`ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde ?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

 

 

 

Mein Einwurf

So hat der Winter, wie jede andere Jahreszeit, seine schönen und traurigen, ja, verzweifelten Seiten. Wo kommt es besser zum Ausdruck, als in diesem Gedicht. Nein, "Hälfte des Lebens" ist keine Naturschilderung, wie man auf dem ersten Blick glauben möchte, es ist eine tiefgreifende Reflektion auf das Leben, mehr noch, auf die Menschlichkeit, genauer gesagt, auf die Humanitas. Erst das wunderschöne Bild in der ersten Strophe, dann die Trostlosigkeit, die Sprachlosigkeit und Kälte des zweiten Teils. Diese plötzliche Brutalität erinnert fast an einen Menschen, der mit der Welt abgeschlossen hat, wozu übrigens ein anderes kleines Gedicht von ihm paßt:

Das Angenehme dieser Welt hab ich genossen,
Die Jugendstunden sind, wie lang! wie lang! verflossen,
April und Mai und Julius sind ferne,
 Ich bin nichts mehr, ich lebe nicht mehr gerne! 

Dies wird noch verstärkt durch die Tatsache, daß, bei Hölderlin eigentlich untypisch, ganz der Bezug zum Himmlischen fehlt. Da sind wir bei Hölderlins Gedanken von der Sinnlichkeit, die dazu dient, die Trennung von denken und existieren aufzuheben. Dieses Gedicht lehrt also "Menschheit". Die Schönheit, die Ästhetik, bei Hölderlin die sinnliche Wahrnehmung, im ersten Teil und anschließend die Brutalität, die Kälte und der Schrei:

"Weh mir". 


 

 

 

 

 

Hyperion

  oder Der Eremit in Griechenland

Hyperion, der rückschauend seinem deutschen Freund Bellarmin von seinem Leben berichtet, wächst in der Mitte des 18. Jahrhunderts in Südgriechenland im Frieden der Natur auf. Sein weiser Lehrer Adamas führt ihn in die Heroenwelt des Plutarch, dann in das Zauberland der griechischen Götter und begeistert ihn für die griechische Vergangenheit. Sein tatkräftiger Freund Alabanda weiht ihn in die Pläne zur Befreiung Griechenlands ein. In Kalaurea lernt er Diotima kennen. Sie gibt ihm die Kraft zur Tat. Er nimmt im Jahre 1770 am Befreiungskrieg der Griechen gegen die Türken teil, dem Osmanischen Krieg. Die Rohheit des Krieges stößt ihn jedoch ab. Er wird schwer verwundet, Alabanda muss fliehen und Diotima stirbt. Hyperion geht nach Deutschland, aber das Leben dort wird ihm unerträglich. Deshalb kehrt er nach Griechenland zurück und lebt dort als Eremit. In seiner Einsamkeit findet er in der Schönheit der Landschaft und Natur zu sich selbst und überwindet die Tragik, die in diesem Alleinsein liegt.

 

 

Mein Einwurf

Da schreibt Peter Härtling in seiner – ich nenne es mal so – Roman Biographie über Hölderlin ganz am Anfang:“Ich weiß nicht genau, was ein Mann, der 1770 geboren wurde, empfand.“

Natürlich wissen wir das alle nicht, aber es wird zumindest wesentlich deutlicher, wenn wir uns Hölderlins Hyperion vor Augen führen, diesen Brief-Roman wirken lassen und die Gedanken dieses jungen, freiheitsliebenen Griechen auf den Mann übertragen, der er eigentlich ist.

Friedrich Hölderlin erinnert, ich habe es an einer Stelle bei Härtling schon einmal gesagt, immer wieder an das Denken der Griechen und Römer, vergleicht seine Zeit mit der ihrigen. Es ist der Versuch aus der Geschichte zu lernen.

Wie Hyperion auf die Befreiung der Griechen von der türkischen Fremdherrschaft, so hoffte Hölderlin auf ein Übergreifen der Französischen Revolution in die enge Welt deutscher Kleinstaaterei.

Die Einheit von Natur und Mensch, die sah er bei den alten Griechen. Und nur in dieser Einheit konnte die Freiheit gelingen.

Dies ist aber nur die eine Seite. Hyperion will etwas Großes, ganz Großes leisten, nicht ausschließlich für Griechenland, sondern vor allen Dingen für seine Diotima. So, wie jeder Liebende es für seine Liebe möchte. Da verschwimmt auch schon mal die Grenze, ob man überhaupt in der Lage ist, es zu leisten. Wichtig ist die Anerkennung.

Das war es auch, was Hölderlin suchte, Anerkennung von der Welt, wenigstens von Schiller, von Hegel, von Goethe, von seiner Geliebten Susette Gontard, seiner Diotima. Es blieb ihm versagt, seinen Ruhm hat er nicht mehr erlebt, der Weg dorthin führte ihn in seinem Eifer ins Dunkel.

Hyperion:“Aber was half mir das. Es Wollte ja mich niemand“

Hölderlin war seiner Zeit weit voraus, was ihn aber zum Eremiten machte. Etwas, das sich durch die Jahrzehnte, Jahrhunderte hindurchgezogen hat, hindurchzieht. Wer seiner Zeit  vorausdachte und denkt, wer weiter blickt als die Allgemeinheit, bleibt mit seinen Gedanken, ja mit seinem Sein einsam. Gibt er aber seine Zukunftsträume auf und beginnt nur noch im Jetzt mit den anderen zu handeln, scheitert er auch. Und es bleibt ihm kein anderer Weg, als alleine für die Freiheit in der Zukunft zu leben. Als Eremit in Griechenland, in der Welt der Götter und Denker, zusammen mit der Natur. Losgelöst auch von allem Menschlichen, sogar von der Liebe, von Diotima.

Diese Diotima taucht in den griechischen Mythen immer wieder auf, so auch bei Platon, in seinem Symposiom zu Ehren der Geburt der Aphrodite, wo Diotima selber gar nicht auftritt, sondern Sokrates von ihr und Eros erzählt, der später,dieser Erzählung nach, der Begleiter von Aphrodite wurde. Laut diesem Mythos, wurde bei jenem Trinkgelage Eros von Penia (Die Armut) und Poros (Die Findigkeit) gezeugt. Aristophanes erzählt dann den Mythos von den Kugelmenschen.

Diese bestanden aus einem runden Körper mit vier Füßen, vier Händen und zwei Köpfen mit einem Gesicht. Vom Geschlecht her jeweils ein männlicher und ein weiblicher Körper, aber es gab auch welche mit zwei männlichen oder zwei weiblichen Körpern. Schließlich war Homosexuelität den Griechen keineswegs fern.

Da diese Lebewesen sich anschickten, die Götter anzugreifen, beschloß Zeus sie in der Mitte zu teilen. Von sofort an litten die Hälften unter ihrer Unvollkommenheit und suchten ohne Unterlaß ihre zweite Hälfte.

Genau dieser Unvollkommenheit stellt sich Hyperion, stellt sich Hölderlin entgegen. Seit jener Zeit nämlich sind wir alle bemüht, unsere zweite Hälfte zu finden,so wie Hyperion mal Alabanda, mal Diotima suchte, und mancher landet in der Einsamkeit, wird zum Eremiten.

Treffen wir nicht gerade in der heutigen Zeit auf viele Hyperions ?


 

 

 

 

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