Tschechow Anton

 

Anton Tschechow

 

Vollständiger Name: Anton Pavlovich Chekhov

* 29.Januar 1860 in Taganrog/Südrußland

†15.Juli 1904 in Badenweiler

Russischer Schriftsteller,Novellist,Dramatiker

 

 

Auszeichnungen unter anderem

1888 Puschkin-Preis

 

 

 

Die Möwe

(1895)

Komödie in vier Akten

 

Am Ufer eines Sees lebt von klein auf ein junges Mädchen; 

es liebt den See wie eine Möwe, ist glücklich und frei wie eine Möwe.

Doch da kommt ein Mann, sieht es 

und stürzt es aus Langeweile ins Verderben.

 

 

Mein Einwurf

Und dann habe ich mein Thema ganz schnell in diesem Stück entdeckt: Die Freiheit.

Etwas weitergehender interpretiert, aber auf einer Linie von Safran Foer bis Franzen.Freiheit als die unendlichen Möglichkeiten die wir haben. Aber diese Freiheit wird zum Feind des Menschen, weil wir heute gezwungen werden - und das ist der zweite Feind, der Zwang - ,immer den Versuch zu unternehmen, noch etwas weiter zu gehen, noch mehr zu schaffen, noch mehr zu arbeiten, um die nächst höhere Stufe zu erklimmen. Ich weiß jedoch nie, wo Schluß ist, wann ich am Ende angekommen bin, denn die Unendlichkeit ist nicht zu erreichen. Genau dies aber empfinden die Menschen als Versagen der eigenen Persönlichkeit. Und so suchen sie weiter nach Möglichkeiten des Erfolgs und der Liebe. Eine endlose Suche nach etwas Besserem, denn die Freiheit gibt es nicht im Supermarkt, wo sich jeder alles nehmen kann.

Die Möwen - so eine Beschreibung der Vogelart - suchen den Strand nach Nahrung ab und jagen manchmal anderen Vögeln die Beute ab.
 Der Schlußsatz, der fällt, nachdem sich der inzwischen recht erfolgreiche Schriftsteller erschossen hat, läßt einen nicht ruhig das Buch zur Seite legen:

„Es war nur ein Zwischenspiel.“

Vielleicht ist unser ganzes Leben nur ein Zwischenspiel, ein Spiel zwischen verschiedenen Möglichkeiten aus der Unendlichkeit.



 

 

 

 

 

 

Eine langweilige Geschichte

 (1889)

Aus den Aufzeichnungen eines alten Mannes

 

Ein allseits anerkannter Professor weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat; er hält Rückschau. Seine egoistische Einstellung der Familie gegenüber gesteht er sich nicht ein. In seiner Lehrtätigkeit sah er seine Erfüllung. Als er seine Vorlesungen nicht mehr zufriedenstellend abhalten kann, kommt ihm sein Lebenszweck abhanden.

 

 

Mein Einwurf

Langweilig, was für ein Wort. Zwei Arten von ihm kennen wir. Die, wenn einem die Zeit zu lang wird und die als Abgrund des Dasein (Heidegger), welche die Sinnfrage stellt. Und welche begegnet uns im Alter ? Ja, dort gleichen sich im Alltag die Augenblicke. Es geschieht zwar andauernd etwas, aber nichts, was die Menschheit bewegt, nichts für einen Roman, obwohl dauernd welche darüber geschrieben werden. Nichts für ein Theater, obwohl dauernd Theaterstücke darüber aufgeführt werden. Und wenn dem „Alten“ mal etwas einfällt, dann lacht man darüber, weil seine Ideen angeblich aus der Zeit gefallen sind.

So ist es eine „lange-Weile“ bis zum Ende des Lebens. Aber ist das tägliche Leben deswegen langweilig ?  Vielleicht ist es das Warten auf das Ende. Warten als Wiederholung dessen, was schon seit langer Zeit geschieht. Eben eine Wiederholung des Lebens.

„Ich bin besiegt. Wenn dem so ist, dann gibt es nichts weiter zu überlegen und nichts zu sagen. Ich werde dasitzen und schweigend abwarten, was wird“

 


 

 

 

 

 

 

 

Eine Krise kann jeder Idiot haben.

 

Was uns zu schaffen macht, ist der Alltag.

 

Anton Tschechow

 

 

 

Mein Einwurf

Zum Glück können wir das Wetter nicht selber bestimmen, denn das würde das Ende der Menschheit bedeuten.
 Nein, es würde nicht zur Krise führen, denn diese ist etwas Augenblickliches, etwas Vorübergehendes, aber mit der Selbstbestimmung des Wetters würde eine andauernde Situation geschaffen, die die Menschheit nicht bewältigen könnte, weil kein Anfang und kein Ende sichtbar wäre. Es würde sich um das Alltägliche handeln. Etwas Fortwährendes.

Um eine Krise zu bewältigen, kann man einen Plan entwickeln, sie kann auch eine Chance sein, das Danach besser zu gestalten. Für den Alltag gibt es keinen Plan, man muß sich ihm in jedem Augenblick stellen und eine eigene Antwort parat haben.

Er macht uns zu schaffen und wir müssen uns mit ihm beschäftigen, während wir der Krise nur im Moment ihres Existierens Aufmerksamkeit schenken müssen. Aber es gibt im Leben nur wenige dieser Momente, nur wenige wirkliche Krisen, der Alltag beherrscht unser Sein ohne Unterbrechung.

Also sollten wir unsere Aufmerksamkeit unsere ganze Kraft dem Alltag widmen und nicht den wenigen Ausnahmen.Unser Fehler ist,

daß wir den Begriff "Krise" inflationär gebrauchen - "sie kann jeder Idiot haben" -

und so unsere Möglichkeiten verschwenden.






Der Tod des Beamten 

(1883)

Als der Gerichtsvollzieher Iwan Dmitritsch Tscherwjakow vom Parkett des Opernhauses aus Die Glocken von Corneville durchs Theaterglas genießt, muss er so sehr niesen, dass sich sein Vordermann Glatze und Hals mit dem Handschuh abtrocknet. Tscherwjakow erkennt den Herrn. Es ist der alte Zivilgeneral Brisshalow vom Verkehrsministerium. In der Pause murmelt der Übeltäter eine Entschuldigung. Der General hat den Zwischenfall bereits vergessen und verzeiht ein klein wenig ungeduldig. 


Mein Einwurf

Wir befinden uns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als Anton Tschechow die Geschichte vom "Tod des Beamten" erzählt. Nein, eigentlich nicht vom Tod, sondern von der Unterwürfigkeit, von der Unterwerfung. Eine humoristische Kurzgeschichte wie es heißt, an dessen Ende allerdings der Tod steht. Der ist jedoch nicht auf die Unterwürfigkeit zurückzuführen, sondern auf das Gegenteil.

Unterwürfigkeit ist etwas anderes als Unterwerfung. Ersteres bedeutet ein Gefühl, eine Empfindung - Unterwerfung ist eine Handlung, mit einer festen Wertung. Unterwürfigkeit kann verschieden empfunden werden, also auch verschieden gewertet werden. Sie kann angeboren oder auch anerzogen und natürlich auch gefordert aber, wie uns Tschechow zeigt, auch gewollt sein. Unterwürfigkeit hat also viele Formen, aber sie ist imme Begierde, egal von welcher Seite.

Gleichzeitig darf man nicht vergessen, daß sie zu verschiedenen Zeiten auch verschiedene Bedeutungen hatte und hat. Teilweise war sie eine Selbstverständlichkeit und für manchen fast eine Ehre. Man war stolz darauf, sich einem höheren Rang unterwerfen zu dürfen, von ihm unterworfen zu werden. Eine Ablehnung der Unterwerfung wird dann sogar als Beleidigung wahrgenommen.  Wenn man diesen hohen Rang schon nicht selber erreichen kann, dann will   man wenigstens ein Teil von ihm sein. Das mag mancher als Obrigkeitshörig bezeichnen. In Wirklichkeit ist es jedoch nur der Wunsch dazuzugehören. Auch wenn es nur auf der untersten Ebene ist, wird es als Auszeichnung empfunden.

" Hinaus wiederholte der General.

Etwas zerriß in Tscherwjakows Leib." Und so "legte er sich aufs Sofa und .... starb."
    

    


    



 

 

 

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