Werner Markus

 

Markus Werner

* 27. Dez.1944 in Eschlikon,Kanton Thurgau,Schweiz

† 3. Juli 2016 in Schaffhausen

 

Auszeichnungen unter anderem:

1999 Hermann-Hesse-Preis

2002 Johann-Peter-Hebel-Preis des Landes Baden-Württemberg



 

Am Hang

(2004)

Aus einer vielleicht nicht zufälligen Begegnung zweier Fremder entwickelt sich eine Parabel über das Leben, die Liebe, die Treue – und ein kriminalistisches Abenteuer, das am Pfingstsonntag ein ungeahntes Ende nimmt.

 

 

 

Mein Einwurf

Für mich ist dieses Stück ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und zwar nicht nur in den Großstädten, sondern auch in der behüteten Landschaft der Schweiz. Die Zweifel, die nach einer Affäre genauso, wie in einer gut funktionierenden Beziehung - wenn auch hier auf einer anderen, unteren Ebene - stets entstehen, vorhanden sind und bleiben, führen den Einzelnen nicht aus seiner Einsamkeit heraus, sondern verstärken sie nur ganz tief in seinem Inneren. Die Folge ist dann eine Verunsicherung, die in unserer Gesellschaft immer weiter um sich greift und Ursache für das Handeln vieler Menschen im Miteinander ist. Zum Schluß bleibt jeder alleine, nicht nur mit sich, sondern vor allen Dingen mit seinen Fragen. Diese Verunsicherung wird noch dadurch verstärkt, daß sich das Leben, das private, intime Leben nicht mehr ausschließlich in gewohnter Umgebung zu Hause abspielt, sondern immer mehr draußen in Hotels und dergleichen. Der andere ist immer mit dabei und urteilt über uns, obwohl er uns fast gar nicht kennt :"Einen Dreck weiß er"

Und in unserer Verunsicherung lassen wir manchmal den anderen einfach seelisch sterben oder erwecken plötzlich jemanden wieder zum Leben, wenn wir spüren, wie die Tinte wieder die Temperatur unserer Hand annimmt. Aber das geschieht nur in Augenblicken der Verzweiflung.


 

 

 

Eine Passage ist mir ganz besonders aufgefallen. Da kommt, wie später noch öfter, ganz deutlich und anschaulich das Thema, nein, mein Thema "Freiheit" durch und bekommt die Überschrift "Überforderung" verpaßt. 

Genau diese Vokabel trifft meiner Meinung nach den Kern, warum man heute so viele Menschen orientierungslos durch ihre Existenz laufen sieht. Früher hatten sie meistens nur die Möglichkeit zwischen zwei Dingen auszuwählen, während es heute oft eine kaum zu überblickende Anzahl an Möglichkeiten bei jeder Entscheidung gibt.

Da ja die Unendlichkeit der Möglichkeiten als Gesamtheit unsere Freiheit ausmacht, wir aber immer nur einen kleinen Teil davon uns vor Augen führen können, so wird es zwangsläufig durch eine Vergrößerung dieses kleinen Teils immer schwieriger die Freiheit zu handhaben. Immer mehr, immer differenziertere Entscheidungen werden notwendig und führen somit für viele zur Überforderung. 

Anders ausgedrück: Mehr gewährte Freiheit bewirkt oft mehr Unfreiheit, weil der Einzelne wegen dieser Überforderung dann wieder nach Halt, nach Orientierung sucht, sich also bewußt und gewollt in die Abhängigkeit begibt. So stellt sich dann die Frage, bis zu welchem Punkt eine Erweiterung der Freiheit, also mehr Möglichkeiten zugänglich zu machen, vom Menschen noch realisierbar ist, beziehungsweise, ab wann sie das Gegenteil bewirkt. Die so oft geforderte absolute Freiheit wäre somit der Untergang des Individuums, womit also immer genau die Grenze erkundet werden muß. 

Eine Balance, stets am Hang.



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